Grote Mandränke an der Nordsee

Von Kreuzfahrtexperte, 12.01.2021

Im 13., 14. und 17. Jahrhundert gab es mehrere Sturmfluten an der Nordsee, genannt die Grote Mandränke, das heißt das Große Ertrinken, die so verheerend waren, dass sie schon beinahe ins Reich der Legenden gehören.

Sicherlich gab es schon früher große Sturmfluten und natürlich hat fast jeder von der schrecklichen Sturmflut 1962 in Hamburg gehört. In diesem Blogbeitrag soll es aber um die drei Grote Mandränke genannten Sturmfluten gehen, die in Augenzeugenberichten erwähnt wurden und die so verheerend waren, dass sie sogar die Küste Schleswig-Holsteins veränderten.

Die erste Marcellusflut im Jahr 1219 in Westfriesland

Das erste Große Ertrinken, von dem ein Augenzeugenbericht existiert, fand am 16. Januar 1219 am Tag des Heiligen Marcellus I. statt, weswegen sie auch Marcellusflut heißt. Der spätere Abt von Wittewierum bei Groningen schrieb, dass ein starker Südwestwind nach mehreren Tagen zum Sturm wurde und gleichzeitig auf Nordwest drehte, so dass große Überschwemmungen mit überschwemmten Deichen und weggespülten Häusern die Folge waren. Nach seiner Deutung waren die Marcellusflut und die darauf folgende Hungersnot die Strafe, quasi eine Sintflut, dafür, dass die reichen Marschbauern die Armen vernachlässigt hatten. Verschiedene, alle nicht sehr zuverlässige Berichte, die aber zumindest einen groben Anhalt bieten, sprechen von 36.000 bis 50.000 Opfern der Marcellusflut. Besonders hart traf es Westfriesland in den heutigen Niederlanden, wo die Nordsee einen natürlich entstandenen Sandwall durchbrach und so das heute künstlich von der Nordsee getrennte Ijsselmeer schuf. Im 16. Jahrhundert hieß es sogar, dass durch die erste Grote Mandränke der Jadebusen entstand, als die Nordsee das sagenhafte, mit kupfernen Türen versehene Schlicker Siel zerstört habe – allerdings gab es die angeblich dabei überfluteten Ortschaften Anfang des 15. Jahrhunderts noch.

Die zweite Marcellusflut traf die Küste von Ost- bis Nordfriesland

Die zweite Marcellusflut beziehungsweise die zweite Grote Mandränke hat vom 15. bis zum 17. Januar 1362 gedauert – Höhepunkt war erneut am Tag des Heiligen Marcellus I., weswegen man den Tag als relativ gesichert ansieht, das Jahr aber schwankt, auch 1300 und 1354 werden genannt - und die deutsche Nordseeküste von Ostfriesland bis Nordfriesland getroffen. Die im 11. oder 12. Jahrhundert errichteten Deiche waren niedrig und hatten wegen fehlender Sedimentablagerungen das Absacken der eingedeichten Gebiete zur Folge. Da sich zudem der Tidenhub in abgedämmten Prielen erhöhte und die Strömung zunahm, mussten die Deiche stärkerem Druck standhalten und es wurde vermehrt Land abgetragen. Dass Anfang des 14. Jahrhunderts die Bevölkerung durch schlechte Ernten und die Pestepidemie geschwächt war, verschärfte das Problem schlechter Deiche noch. In Nordfriesland brachen 21 Deiche, die Flut mit ihren über zwei Meter hohen Wellen drang bis zum Geestrand vor, zerstörte die alte Küstenlinie mit ihren Nehrungen und tötete je nach Quelle 10.000 bis 100.000 Menschen. Zudem vertieften sich vorher flache, bei Ebbe sogar trockenfallende Priele zwischen Marschinseln zu Wattströmen, die bei folgenden Fluten das Wasser noch weiter ins Land brachten. So entstanden die ersten Halligen und viele Orte gingen unter, einer davon war Rungholt, damals der größte Handelsort des Nordens. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts sollen insgesamt 44 Kirchen und Kirchspiele, etwa 100.000 Hektar Land, überschwemmt worden sein. 24 davon lagen im sogenannten Uthlande, das sind die dem Festland vorgelagerten Inseln, Halligen und Marschen. Einzig Husum profitierte von der schrecklichen Flut, da sie der Stadt einen Zugang zur Nordsee verschaffte. Die dramatische Veränderung der Küste Nordfriesland, quasi der Anfang Nordfrieslands in seiner heutigen Form, ist hier bildlich dargestellt. Ostfriesland traf die Marcellusflut weniger hart. Zwar wurden auch hier Häuser, Kirchtürme und Deiche zerstört und Menschen und Vieh ertranken, aber es war „nur“ ein starker Sturm und keine Naturkatastrophe wie weiter im Norden. Auch die Veränderungen der Küstenlinie wie die Vergrößerung der Ley- und der Harlebucht sowie die Bildung des Schwarze Bracks am Jadebusen inklusive überschwemmteer Orte und die Trennung von Juist und Borkum werden verschiedenen Fluten dieser Zeit zugeordnet. Als Folge der zweiten Grote Mandränke wurde in Nordfriesland der Deichbau besser organisiert, die Deiche höher gebaut und mit Landgewinnung begonnen.

Die Buchardiflut verwüstet 1634 die Küste zwischen Ribe und Brunsbüttel

Die dritte große Flutkatastrophe an der Nordseeküste Deutschlands war die Burchardiflut - ebenfalls nach einem Heiligen benannt und ebenfalls als Strafe Gottes angesehen -, die in der Nacht vom 11. zum 12. Oktober 1634 die Küste zwischen Ribe und Brunsbüttel verwüstete. Quellen, die die Burchardiflut zweite Grote Mandränke nennen, bezeichnen die Marcellusflut von 1219 nicht als Grote Mandränke. Die Pestepidemie von 1603 und der Dreißigjährige Krieg, der besonders die Insel Alt-Nordstrand traf, führten zu wirtschaftlicher Not. Dadurch verursachten diverse Sturmfluten in den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts schwere Schäden – überschwemmte Kirchspiele und gebrochene Deiche – und das sogar auch bei leichteren Fluten im Sommer, da die Deiche nicht gepflegt werden konnten. Außerdem war das Niveau des eingedeichten Landes durch Entwässerung und Torfabbau unter den Meeresspiegel gesunken, was die Gefahr für die betroffenen Gebiete weiter erhöhte. Am 11. Oktober 1634 entwickelte sich ein aus dem aus Osten kommender Sturm, der nach Südwest drehte, zu einem aus Nordwest wehenden Orkan. Hinzu kam eine halbe Springflut. Der aus Südwest wehende Wind drückte dann das Wasser der Nordsee mit so großer Kraft in die Rungholter Bucht auf Alt-Nordstrand, dass etwa zwei Stunden vor Mitternacht der erste Deich im Kirchspiel Stintebüll brach. Gegen zwei Uhr morgens am 12. Oktober erreichte die Flut dann ihren Höchststand mit etwa vier Metern über dem mittleren Tidehochwasser. Bei der höchsten in Husum gemessenen Flut 1976 stand der Pegel bei 4,11 Meter über dem mittleren Tidehochwasser. Zahlreiche Deiche brachen – sogar noch in Hamburg Hammerbrook und Wilhelmsburg -, selbst Warften wurden überflutet, zwischen 8.000 und 15.000 Menschen starben und nach Augenzeugenberichten wurden Schiffe nicht nur auf Deiche, sondern in Husums Straßen geweht. Besonders hart traf es Eiderstedt und Strand. Auf Strand kamen durch 44 Deichbrüche mindestens 6.123 Menschen und 50.000 Stück Vieh um, 1.300 Häuser, 30 Mühlen und 17 Kirchen wurden völlig zerstört, weitere beschädigt und der abgeerntete Jahresertrag verloren. Durch die Burchardiflut versanken die Halligen Nübbel und Nieland und auch die Insel Strand selbst gab es nicht mehr, von ihr blieben die Inseln (Neu)-Nordstrand und Pellworm sowie die Halligen Südfall und Nordstrandischmoor übrig. In den Monaten nach der Flut wurden die Deiche weiter von der Strömung aufgerissen und unterhalb des Meeresspiegels liegendes Land musste aufgegeben werden; noch größere Not war die Folge, Menschen wurden vertrieben, wenn sie die Deiche nicht pflegen konnten und ihr Land ausländischen Investoren übergeben. Außerdem entstand zwischen Nordstrand und Pellworm der Gezeitenstrom Norderhever, der mittlerweile bis zu 30 Meter tief ist und durch den die Sockel der beiden Inseln in Gefahr sind.

Wenn man bedenkt, dass die Groten Mandräken nur einen Teil der verheerenden Fluten der Nordsee ausmachen, ist es kein Wunder, dass bei uns im Norden schon Kinder die Worte „Nordsee ist Mordsee“ kennen…

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